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Friedrich CERHA

* 1929

Baal - Wiederaufnahme 1992

In seiner ersten Spielzeit hatte Direktor Eberhard Waechter für die Wiener Staatsoper die vollständige Renovierung des Wiener Opern-Repertoires proklamiert. Er verzichtete auf Premieren und polierte lieber ältere Produktionen auf Hochglanz.

Dazu gehörten nach Waechters Meinung nicht nur Mozart, Verdi, Puccini oder Wagner, sondern auch Werke des XX. Jahrhunderts, etwa auch die zehn Jahre alte Uraufführungsproduktion von Friedrich Cerhas Brecht-Oper «Baal» von den Salzburger Festspielen. Deren enormer Aufwand wurde zu einer Demonstration der offenkundig wirklich gefestigten Ensemblekräfte des Hauses. Eberhard Waechter hat diesen Triumph nicht mehr erlebt. Er starb wenige Monate nach Amtsantritt...

Cerhas Baal, renoviert

Die Presse, 15. Juni 1992

Obwohl Otto Schenks Inszenierung in den allzu puppenstubenartigen Bildern von Rolf Langenfass keinen Freiraum für die Phantasie des Zuschauers läßt, entfalteten die schauspielerischen und gesanglichen Leistungen der Darsteller einen tönenden Bilderbogen vor dem Publikum, der gefangen nahm.

Theo Adam bot, wie schon vor Jahren anläßlich der Uraufführung in Salzburg, eine Glanzleistung, ließ das Schicksals des konventionenverachtenden Kraftmenschen miterleben, der das sonnenüberglänzte Grün der Bäume für gottvoller erachtet als jede prachtvolle Fronleichnamsprozession, und der, weil er das - und nicht nur das - auch ungeschminkt sagt, sich jeder Eingliederung in die Gesellschaft widersetzt.

Eine Außenseiter-Oper

Eine Außenseiteroper, von Cerha in suggestive Klangflächen gehüllt, die innerhalb ihrer weitgespannten Architekturen viel Raum für deskriptive, unmittelbar auf Worte oder Aktionen bezogene musikalische Details, für verzehrend schöne, oft faszinierend ineinander verwobene Melismen bieten und auf diese Weise aus symphonischen Gestaltungsmustern dramatische Kraft schöpfen.

Leopold Hager war im Orchestergraben ein leidenschaftlicher Anwalt der eigenen Schönheit dieser Musik, hielt das Orchester zu ausdrucksvollem, engagiertem Spiel an. Die Sänger, nahezu alle Mitglieder des ständigen Ensembles, umkreisten das Gravitationszentrum Baal so wohlgeordnet wie der Cerhasche Musikkosmos das erheischt.

Kein Irritationspunkt im System. Nur manch besonders glänzendes Einzelereignis. Andrea Rosts leuchtkräftiges Solo als von Baal rücksichtslos verführtes Unschuldslamm Johanna vor allem, Joanna Borowskas bedauernswert auf das egoistische Monstrum fixierte Sophie, Walter Finks bärenstarker, dennoch weichherzig-naturverbundener "treuer Ekart", Anny Schlemms berührend liebevolle Mutter des mißratenen Sohns, etliche andere mehr - ein Ereignis, das für Theo Adam wie den Komponisten gleichermaßen erneut zum Triumph werden mußte.


↑DA CAPO